Prof. Dr. Jürg Grünenfelder, Facharzt für Herz- und Thorakale Gefässchirurgie an der Herzklinik Hirslanden, ist Spezialist für die minimal invasive Mitralklappenrekonstruktion. Mittels dieser schonenden Operationsmethode profitieren Patienten von optimalen Resultaten und werden schneller wieder fit.
Interview mit Prof. Dr. Grünenfelder
Herr Prof. Dr. Grünenfelder, was ist eine Mitralklappenrekonstruktion?
Prof. Dr. Jürg Grünenfelder: Die Mitralklappe ist eine der vier Herzklappen und befindet sich zwischen dem linken Vorhof und der linken Herzkammer. Bei jeder Kontraktion des Herzens verhindert sie hier den Rückfluss des Blutes in den Vorhof. Mittels Sehnenfäden sind die Klappensegel direkt am Herzmuskel befestigt, so dass sie bei jeder Kontraktion dicht schliessen. Sind diese Fäden defekt oder die Segel perforiert oder überdehnt, kann die Klappe die Funktion des Abdichtens nicht mehr vollständig erfüllen. Bei der Mitralklappenrekonstruktion werden diese Defekte behoben, damit das Herz wieder seine volle Leistung erbringen kann.
Wie entsteht eine solche Erkrankung?
Prof. Dr. Jürg Grünenfelder: Klappendefekte sind teilweise angeboren, können sich aber auch durch genetische Vorbelastung oder eine Bindegewebsschwäche im Laufe des Lebens entwickeln. Vorbeugende Massnahmen kann man leider nicht ergreifen; denn es gibt keine bekannten Risikofaktoren. Die Mitralklappeninsuffizienz ist demensprechend auch nicht selten, es ist eine der häufigsten Klappenerkrankungen.
Wie wird die Erkrankung denn erkannt?
Prof. Dr. Jürg Grünenfelder: Oft bleibt eine Mitralklappeninsuffizienz unerkannt. Die Diagnose erfolgt meistens, wenn beim jährlichen Check beim Hausarzt ein ungewöhnliches Herzgeräusch festgestellt wird. Bleibt die Erkrankung über längere Zeit unbehandelt, kann sie sich durch Leistungseinbusse, eingeschränkte Herzfunktion, Vorhofflimmern oder ein vergrössertes Herz bemerkbar machen. Betroffen sind meistens Personen ab etwa 60 Jahren.
Bei welche Patienten ist eine Operation ratsam?
Prof. Dr. Jürg Grünenfelder: Eine Herzoperation hat immer ein gewisses Risiko. Deshalb sollte schon abgewägt werden, ob ein Eingriff wirklich nötig ist. Leichte und mittelschwere Fälle behandelt man normalerweise nicht, da eine Operation nur eine verhältnismässig geringe Verbesserung der Lebensqualität bringt. Nur bei schweren Fällen wird ein Eingriff empfohlen.
Es hat sich allerdings auch gezeigt, dass gerade bei der Mitralklappenoperation eine frühe Behandlung sinnvoll ist. Wenn der Patient bereits schwere Symptome wie vorher beschrieben entwickelt hat, sind die Resultate nach einer Operation weniger zufriedenstellend, als wenn sofort operiert wird. Grundsätzlich ist jeder Patient mit einer Mitralklappeninsuffizienz für den Eingriff geeignet. Allgemein kann man aber sagen, dass insbesondere unsere jüngeren, fitten Patienten von etwa 50 bis 70 Jahren von einer Operation profitieren – bei ihnen ist eine grosse Verbesserung der Lebensqualität als auch Lebensverlängerung zu erwarten.
Wie sieht die Operation im Detail aus?
Prof. Dr. Jürg Grünenfelder: Normalerweise wird für die Operation der Mitralklappe eine sogenannte Sternotomie ausgeführt. Das bedeutet, dass das Brustbein eröffnet und damit das Herz freigelegt wird. Das ergibt eine relativ grosse Wunde von etwa 15 bis 20 Zentimeter Länge. Bei der minimal invasiven Operation erfolgt ein wesentlich kleinerer, seitlicher Schnitt von etwa fünf bis sechs Zentimetern über den Rippen, die anschliessend gespreizt werden und damit das Herz für die Instrumente zugänglich machen. Bei beiden Versionen wird die Herz-Lungen-Maschine eingesetzt – beim offenen Verfahren direkt über die Öffnung am Brustbein, beim minimal invasiven Verfahren über die Leistengefässe. Auch die Operationsdauer unterscheidet sich nicht.
Welches sind denn die Vorteile einer minimal invasiven Operation der Mitralklappe?
Prof. Dr. Jürg Grünenfelder: Es sind einige: Die kleinere Wunde stellt einen weitaus schonenderen Eingriff dar. Sie führt zu weniger Blutverlust, einem geringeren Risiko für Folgeinfektionen und Nierenversagen, sodass der Patient im Durchschnitt das Spital früher verlassen kann. Ausserdem ist bei diesem seitlichen Zugang die direkte Sicht auf die Mitralklappe besser, was die komplexe Operation etwas einfacher macht. Dies ermöglicht, dass die Klappe in den meisten Fällen rekonstruiert werden kann und nicht durch eine Prothese ersetzt werden muss. Diese stellt einen Fremdkörper dar und kann nach einer gewissen Zeit wieder funktionsunfähig werden.
Wie sieht die Erholungszeit aus?
Prof. Dr. Jürg Grünenfelder: Von einem modernen, minimal invasiven Eingriff erholen sich unsere Patienten im Normalfall sehr schnell. Sie können das Spital meist nach fünf bis sechs Tagen bereits verlassen und nach Hause gehen. Dort müssen sie sich selbstverständlich noch schonen oder werden auch in die Reha geschickt. Diese fällt in den meisten Fällen aber deutlich kürzer aus als bei Operationen via Brustkorb.
Ist die minimal invasive Art dieses Eingriffs denn bereits etabliert?
Prof. Dr. Jürg Grünenfelder: Die Herzklinik Hirslanden ist eine von wenigen Kliniken in der Schweiz, in der die Operation einer Mitralklappeninsuffizienz im minimal invasiven Verfahren routinemässig möglich ist. International entwickelt sich diese Methode unter anderem wegen den beschriebenen zahlreichen Vorteilen für den Patienten bereits zum Standard anstelle der Brustkorberöffnung: Mit einer kleineren Wunde wird dasselbe Resultat erzielt.